von Jonas (asri)
Nachdem ich vor kurzem den "Semesterstart" von Olaf "Der Olfork" Lorenz geleitet habe, versuche ich mich an einer Mischung aus Spielbericht und Rezension.
Unsere Spielrunde lief online mit drei Spielern, und wir spielten etwa 2 bis 2,5 Stunden (so wie meistens). Ich war schon etwas ausgelaugt und nicht top vorbereitet (hätte eigentlich gern mehr Details zu Zufallsbegegnungen und zu der konkurrierenden Gruppe parat gehabt). Trotzdem hatten wir Spaß. Spielbericht mit Spoilern: Die Gruppe nahm die U-Bahn zur Uni, geriet in eine Zeitanomalie und kam zwei Stunden zu spät an. Ich würfelte heimlich aus, an welcher der Locations ein echtes Engelskelett zu finden ist, und die Gruppe suchte erstmal einen anderen Ort auf. Sie fanden den versteckten, aber leeren Grabraum auf dem Edungporker Friedhof und gingen irgendwie davon aus, dass dort der Engel (bzw. sein Skelett) vielleicht noch auftauchen würde, wenn sie ein bisschen warten oder per Zeitanomalie einfach früher kämen. Ich ließ die Konkurrenz eintreffen. Ein Spieler verwandelte sein Gesicht in das des Professors, wodurch die Gruppe von den Konkurrenten erfuhr, dass der Engel im Kanal von New Venitsche kein echter Engel ist. Die Konkurrenz machte sich auf zur Evantolischen Kirche. Endlich rafften sich auch meine Spieler auf, nahmen die U-Bahn in der Hoffnung, eine günstige Zeitanomalie zu erleben. Sie hatten Glück und kamen eine Stunde früher bei der Kirche an (und etwa ein und eine Viertelstunde vor dem nächsten Gottesdienst), brachen ein, erkundeten den Keller, erfuhren von Kalle vom Engel und wo seine Leiche steckt. Die Konkurrenz traf ein, ließ sich aber durch die vermeintliche Anwesenheit des Professors überreden, für 30% der Belohnung bei dem Transport zu helfen. Vor der Uni ließ ich noch Carl Chicken seine Flyer verteilen, und wir kamen zum Schluss.
Das Szenario hat schöne Ideen. Der Auftrag bzw. der gesuchte Schatz ist einprägsam (Skelett eines Engels, möglichst mit intakten Flügeln), und die Schauplätze (bis auf den Edungporker Friedhof, würde ich sagen) bieten Gelegenheit zu interessanten Erkundungen und Interaktionen. Eine Gruppe, die gern kämpft, könnte vermutlich gewaltsame Auseinandersetzungen im Abenteuer unterbringen, aber die Schauplätze und Szenen im "Semesterstart" sind nicht darauf ausgelegt. Karten, die auch die umgebenden Straßen und Gebäude der Schauplätze zeigen, habe ich nicht verwendet. Falls jemand das Abenteuer nicht ganz so rasch durchspielen will, könnten diese Karten Inspirationen bieten. Das Abenteuer ist zwar für Electric Bastionland entworfen, ist aber frei von Spielwerten und ließe sich vermutlich mit geringen Anpassungen auch in andere Spiele transportieren, die ein eher urbanes, surreal-skurriles Setting aufweisen.
Aus meiner Sicht hat das Fanzine zwei Schwächen. Ich finde erstens die Zufallstabellen eher blass und kaum ausgearbeitet. Da hätte ich mir etwas mehr Fleisch auf den Rippen gewünscht. ;-) Zweitens finde ich die Präsentation im Fließtext anstrengend. Als SL habe ich mehrfach geblättert und in den Absätzen nach bestimmten Infos gesucht. Stichpunktartige, übersichtliche Listen zentraler Einzelheiten hätten mir sehr geholfen.
Mit etwas mehr Vorbereitungszeit hätte ich mir das natürlich im Zine hervorheben oder auf einem Spickzettel notieren können, aber es wäre super, wenn mir diese Arbeit wenigstens ein bisschen abgenommen würde.
Die Illustrationen sind schlicht, bringen aber alles Nötige rüber, und verleihen dem "Semesterstart" viel Fanzine-Charme: Das Zine strebt keine Hochglanzpolitur an, liefert aber soliden Spielspaß mit schön-skurrilen Elementen.
"Semesterstart" gewann übrigens den ersten Platz in der Kategorie "handgemacht" im System Matters Fanzine-Wettbewerb 2024. Und das PDF ist kostenlos.
Lizenz: CC BY 4.0